Das deutsche Magazin SPIEGEL bringt heute, am historischen 24. Februar 2022, einen ersten Kommentar zu Putins Auftritt am frühen Morgen, in dem er den Krieg ankündigte.
In der vergangenen Nacht ist geschehen, was viele Beobachter lange befürchtet hatten: Wladimir Putin kündigte die Militäroperation in der Ukraine an. Und nur wenige Minuten später ließ er seinen Worten Taten folgen.
Die Staats- und Regierungschefs der G7 treffen sich heute auf einem virtuellen Gipfel, den Kanzler Olaf Scholz leiten wird. Auf dem Treffen soll eigentlich der Gipfel im Juni auf Schloss Elmau vorbereitet werden. Doch nun wird der Krieg in Osteuropa die Gespräche beherrschen.
In diesen Tagen heißt es immer wieder, Putin interessiere sich ausschließlich für die USA. Die anderen Länder der G7 seien ihm sowieso egal.
Für diese Annahme spricht, dass Putin in einem zentralen Punkt seiner Rede vom Montagabend, die der SPIEGEL hier dokumentiert, seinen Hauptvorwurf an die USA wieder aufgreift: »Sie können einfach kein großes und unabhängiges Land wie Russland gebrauchen.«
Putin braucht die alte Frontstellung des Kalten Krieges, weil diese sein Land in den Rang einer Supermacht hebt. Doch auch wenn er die Ukraine als »Kolonie« der USA bezeichnet. Die Mächte Europas sollten nicht übersehen, dass sie es sind, die Putin die eigentliche Sorge bereiten dürften.
In seiner Rede sagte er, die Proteste auf dem Maidan 2013 hätten »die Ukraine der Demokratie nicht nähergebracht«. Wir haben die Fakten in Putins Rede geprüft und halten diese Aussage – neben vielen anderen – für falsch: Die Ukraine sei zwar keine vollständige Demokratie, doch seit den Ereignissen auf dem Maidan habe sie erhebliche Fortschritte gemacht und sei viel weiter als Russland selbst.
Der Ukraine grenzt sowohl an mehrere Länder der EU als auch an Russland. Ihre Hinwendung nach Europa muss für Putin eine Bedrohung sein.
Folgt man seiner Rede, entstammt sein politisches Denken der Logik früherer Zeiten, in denen Nationalismus und Patriotismus oberste Prinzipien waren. Nichts dürfte Putins Denken ferner liegen als das Friedensprojekt der EU, das die Einheit in Vielfalt vorsieht, nationale Souveränität respektiert, zugleich aber Nationalismus nicht braucht.
Er nimmt die USA als gespalten wahr und die EU als geschwächt durch die Pandemie und viele andere Sorgen. Aber die Europäer sollten nicht den Fehler begehen, auf sich selbst durch Putins Brille zu sehen. Europa ist stark, ein Sehnsuchtsort. Dafür ist die Ukraine nur ein Beweis. Was Putin gerade tut, ist nichts anderes als ein Angriff auf ganz Europa. Aber Angriffe können Kräfte mobilisieren. Mag Putin die Europäer unterschätzen – sie selbst dürfen das auf gar keinen Fall tun.